20. März 2025 Zwickau: Die Krise in der Automobilindustrie und der Kampf der VW-Gewerkschafter*innen
Von Patrick Leonhardt
Am 20. März 2025 lud die Rosa-Luxemburg-Stiftung zu einer Veranstaltung ins Café Clara ein. Rund 25 Teilnehmer*innen folgten dem Vortrag von Stephan Krull, der die aktuelle Krise der Automobilindustrie und die Rolle der Gewerkschaften bei Volkswagen in den Fokus rückte.
Krull begann seinen Vortrag mit dem Verweis auf die Folgen des Klimawandels – auch wenn er dieses Thema nicht vertiefte, war es ihm wichtig, den Zusammenhang zwischen ökologischer Transformation und industriellem Wandel zu betonen.
Strukturelle Krise statt Wachstum um jeden Preis
Krull stellte die Frage: „Was für eine Krise?“ Für ihn ist es keine vorübergehende, sondern eine strukturelle Krise. Das auf Dauer angelegte Exportmodell Deutschlands sei erschöpft, und das Preismodell funktioniere nicht mehr. Statt weiter ungebremst auf Wachstum zu setzen, müsse überlegt werden, was überhaupt wachsen soll und was schrumpfen darf. Gerade die Autoindustrie in Deutschland werde in den nächsten Jahren massiv schrumpfen.
Eine soziale und ökologische Transformation hält Krull für möglich und dringend notwendig. Er beschrieb den Kreislauf der Autofinanzierung, in dem Menschen auf das Auto angewiesen sind, um zur Arbeit zu kommen – und die Arbeit wiederum nur dazu dient, das Auto zu finanzieren. Ein Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs wäre daher ein wesentlicher Schritt. Den oft diskutierten Umstieg von der Auto- in die Rüstungsindustrie, wie er etwa in Görlitz zur Debatte steht, lehnte er entschieden ab. Stattdessen solle eine Industrie entstehen, die öffentliche Verkehrsmittel produziert und der Gesellschaft dient.
Krull brachte auch alternative Modelle wie gemeinnützige GmbHs ins Spiel, die gerade im ländlichen Raum Mobilität sichern könnten. Außerdem sprach er sich für eine generelle 4‑Tage-Woche aus, bei der soziale Investitionen steigen und Militärausgaben sinken sollten. In diesem Zusammenhang kritisierte er auch die Schuldenbremse, die aus seiner Sicht nicht für Rüstung, sondern für Infrastruktur und Bildung gelten sollte.
Sanierungsfälle? Nicht bei den Großen
Beim Thema Unternehmenssanierung widersprach Krull der Erzählung von einer Krise bei VW, BMW oder Mercedes. Diese Konzerne seien keine Sanierungsfälle. Kleine Zulieferbetriebe hingegen stünden oft mit dem Rücken zur Wand. Dennoch gebe es auch unter den Zulieferern Gewinner mit stabilen Umsätzen. Krull machte deutlich, dass in der betriebswirtschaftlichen Logik selbst ein geplanter, aber nicht erreichter Gewinn schon als Verlust angesehen werde.
Die Steuerpolitik der Konzerne kritisierte er anhand konkreter Zahlen: VW erwirtschaftete 2023 einen Umsatz von 325 Milliarden Euro bei gezahlten Steuern von lediglich 4,5 Milliarden Euro. BMW kam auf 146 Milliarden Euro Umsatz und 3,7 Milliarden Euro Steuern, Mercedes auf 142 Milliarden Euro Umsatz bei 3,5 Milliarden Euro Steuern. Jobverluste seien dabei selten echte Streichungen – vielmehr würden Stellen ins Ausland verlagert.
Lohnverzicht keine Lösung
Auch Lohnverzicht sei nicht der richtige Weg, so Krull. Die Personalkosten bei VW lägen bei lediglich 15 Prozent, und es gebe keinen Anlass, die Beschäftigten zur Kasse zu bitten.
Wem gehören die Fabriken?
Krull erinnerte an die dunkle Vergangenheit des Volkswagenkonzerns, der in der NS-Zeit mit dem Vermögen der Gewerkschaften aufgebaut wurde. Jahrzehntelang hätten die Arbeiter*innen den Mehrwert geschaffen, von dem vor allem die Eigentümerfamilien Piech und Porsche profitierten. Niedersachsen müsse deshalb seinen Aktienanteil am Unternehmen unbedingt behalten. Im Kern, so Krulls Fazit, gehörten die Fabriken den Menschen, die dort arbeiten – den Bürger*innen.
Gemeinsame Kämpfe für die Zukunft
Krull plädierte zum Abschluss für die Einrichtung von Transformationsräten, um den notwendigen Wandel nicht dem freien Markt zu überlassen, sondern demokratisch zu steuern. Nur durch gemeinsames Handeln und Solidarität könne die Zukunft gestaltet werden.
In der anschließenden Diskussion wurde unter anderem gefragt, warum VW weiterhin auf große Fahrzeuge setze, die sich Arbeiter*innen kaum leisten können. Krull verwies auf Modelle, die zwar gut verkauft wurden, aber den Managern und Aktionären nicht profitabel genug erschienen. Auch erläuterte er Unterschiede zwischen BWL und VWL und betonte, dass die IG Metall seit Jahren mehr Kleinfahrzeuge fordere – bislang jedoch ohne ausreichend Einfluss, da weder die Anteile Niedersachsens noch die Macht der Gewerkschaft ausreichten, um diese Richtung durchzusetzen.
Bildquelle: Patrick Leonhardt